Versorgungssicherheit: Pragmatismus und vorausschauendes Handeln

    Die Schweiz muss den Bau von Kernkraftwerken der neusten Generation wieder zulassen. Als FDP-Präsident ist mir die Technologieneutralität ein wichtiges Anliegen. 

    (Bild: zVg) Keine gesetzlichen Technologieverbote: Wir benötigen einen stabilen Energiemix für kommende Generationen.

    Die Schweizer Energiepolitik steht vor grossen Herausforderungen. In einem zunehmend schwierigen Umfeld hat sie die Stromversorgung sicherzustellen und damit das Fundament einer gesunden Wirtschaft und einer prosperierenden Gesellschaft zu erhalten. Bereits ab 2025 besteht ein Risiko für Strommangellagen aufgrund der ungewissen Ausgangslage bezüglich der zukünftigen Integration der Schweiz im europäischen Strommarkt. Mittel- bis langfristig ist die Stromversorgungssicherheit aber auch gefährdet, weil der Ausbau der erneuerbaren Energien zu träge voranschreitet. Hinzu kommt, dass der Stromverbrauch bis 2050 deutlich steigt. Aktuellen Schätzungen zufolge benötigen wir bis 2050 rund 30 bis 50 Prozent mehr Strom, damit das Ziel der Dekarbonisierung unserer Gesellschaft und Wirtschaft erreicht wird. Um die Klimaziele nicht zu gefährden, muss der zusätzliche Strom weiterhin möglichst CO2-neutral produziert werden.

    Am 12. Februar haben die Delegierten der FDP Schweiz nach eingehender Debatte die Resolution «Weniger Polemik, mehr Strom» verabschiedet. Der darin enthaltene Absatz zur Technologieneutralität beinhaltet die in der Öffentlichkeit viel diskutierte Aufhebung des gesetzlichen Verbots von neuen Rahmenbewilligungen für den Bau von Kernkraftwerken (KKW):

    «Technologieneutralität bei der einheimischen Stromproduktion: Beim Ausbau und Ersatz bestehender einheimischer Produktionsanlagen darf es keine gesetzlichen Technologieverbote geben, um einen stabilen Energiemix für kommende Generationen zu garantieren. Es sind deshalb die rechtlichen Voraussetzungen zu schaffen, damit langfristig und bei Bedarf auch eine neue Generation der Kernkraft-Technologie ihren Beitrag an die Versorgungssicherheit leisten könnte, sofern die Sicherheit jederzeit gewährleistet werden kann.»

    Keine Kernkraftwerke der heutigen Generation

    Mit dieser Forderung wird klar: Der Bau von Kernkraftwerken der heutigen Generation ist unabhängig von der Aufhebung ausgeschlossen. Aktuell ist zudem nicht ersichtlich, ob und vor allem wann eine neue Kernkraft-Technologie (z.B. 4. Generation) zur Verfügung steht. Ob langfristig ein Bedarf vorhanden sein wird, können wir heute noch nicht abschliessend beurteilen und soll u.a. in der parlamentarischen Beratung des Mantelerlasses zur sicheren Stromversorgung geklärt werden. Wie an der Delegiertenversammlung klargestellt, gilt es den Bedarf auch im Kontext des Ausbaus der Erneuerbaren zu beurteilen. Sie stehen im Vordergrund der langfristigen Stromversorgung. 

    Sicherheit im Betrieb, nach der Stilllegung und bei der Entsorgung

    Zu guter Letzt wird auch die Sicherheit ganzheitlich betrachtet. Damit gemeint ist nicht nur die Sicherheit im Betrieb. Auch nach der Stilllegung sowie bei der Entsorgung der radioaktiven Abfälle muss die Sicherheit jederzeit gewährleistet sein. In Anbetracht dieser wichtigen Bedingungen dürfen wir uns vor neuen Technologien und Entwicklungen nicht verschliessen. Das war auch der Grund, wieso diese Forderung an der Delegiertenversammlung so klar angenommen wurde.

    Es braucht eine Vielzahl von Massnahmen

    Neben dem Passus zur Technologieneutralität präsentiert die FDP in ihrer Resolution eine breite Palette weiterer Massnahmen, die unsere Versorgungssicherheit durch die Stärkung der inländischen Stromproduktion gewährleistet:

    Kurzfristige Massnahmen:

    • Integration im europäischen Strommarkt sicherstellen und damit Netzstabilität sichern
    • Nationale Worst-Case-Planung vorantreiben
    • Ausbau der erneuerbaren Energien beschleunigen
    • Effizienz des heutigen Energieverbrauchs erhöhen
    • Vollständige Strommarktöffnung in die Tat umsetzen
    • Mögliche Stromknappheiten via öffentliche Informationsplattform transparent darstellen

    Mittel- & langfristige Massnahmen:

    • Bestehende Kraftwerkskapazitäten sichern 
    • Technologieneutralität bei der inländischen Stromproduktion herstellen
    • Neue Marktmodelle zur Stärkung der nationalen Stromproduktion einführen 
    • Gezielte Anreize zugunsten von mehr Speicherkapazitäten für die kritischen Wintermonate schaffen
    • Bewilligungs- und Beschwerdeverfahren beschleunigen
    • EU-Stromabkommen zielstrebig ansteuern
    • Optimale Voraussetzungen für Forschung und Innovation schaffen

    Thierry Burkart


    Zur Person: Thierry Burkart ist Ständerat des Kantons Aargau und Präsident der FDP Schweiz. Diesen Beitrag verfasste er exklusiv für die «Umwelt Zeitung». 

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