Die Abhängigkeit von russischem Gas reduzieren


    Kolumne


    Die Schweiz ist bei den Gaslieferungen stark von Russland abhängig. Dennoch sollte sie sich nach anderen Quellen umschauen. Und die Energiepolitik sollte grundsätzlich technologieoffen sein.

    (Bild: zVg) Dr. Adrian Schoop ist Unternehmer und FDP-Grossrat.

    Die westliche Sanktionspolitik gegen das Russland von Wladimir Putin hat einen grossen Haken: Sie betrifft alle möglichen Wirtschaftsbereiche, doch beim Öl und Gas, dem wichtigsten Exportgut der russischen Wirtschaft, macht der Westen eine grosse Ausnahme. Länder wie Deutschland oder Italien sind stark von den Lieferungen aus Russland abhängig. Ihre harte Sanktionsrhetorik hält der Realität aber nicht stand, weil ein Stopp der Öl- und Gasimporte die einheimische Wirtschaft empfindlich treffen würde. Die Realpolitik durchkreuzt die eigenen moralischen Ansprüche.

    20 Prozent der Schweizer Haushalte heizen mit Gas
    Und die Schweiz? Auch sie bezieht einen beträchtlichen Teil ihres Gases aus Russland. Die Zahlen: «Mit 15 Prozent am Endenergieverbrauch ist Erdgas in der Schweiz ein wichtiger Energieträger», schreibt der Branchenverband gaz energie. 20 Prozent der Haushalte heizen mit Gas. Dabei stammt fast die Hälfte (43 Prozent) der direkten Importe aus Russland (Statistik von 2021). 22 Prozent stammen aus Norwegen, 19 Prozent aus der EU und 3 Prozent aus Algerien. Die übrigen Herkunftsländer machen 13 Prozent aus. Da das EU-Gas ebenfalls zu einem grossen Teil von Russland kommt, dürfte der Anteil des russischen Gases durch diese indirekten Lieferungen noch höher sein.

    Bereits sind die Gaspreise in verschiedenen Regionen der Schweiz stark angestiegen. Unterschiede gibt es, weil die regionalen Anbieter unterschiedlich lange Lieferverträge haben. Wer kurzfristig mehr Gas bezieht, muss tiefer in die Tasche greifen. Die Gasbezüger im Kanton Aargau bekommen dies besonders stark zu spüren: Hier sind die Gaspreise gegenüber dem Vorjahr um rund 70 Prozent gestiegen, wie das Schweizer Radio und Fernsehen (SRF) bereits Ende Januar meldete. Seither hat sich die Lage durch die russische Invasion in der Ukraine weiter verschärft.

    Braucht es neue Gaskraftwerke?
    Vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs muss es das Ziel sein, die Abhängigkeit von russischem Gas zu verringern. Dieses Ziel verfolgt auch die Schweizer Gaswirtschaft. «Flüssigerdgas (LNG) kann einen wichtigen Beitrag leisten, Gas aus allen Weltregionen zu beschaffen, auch wenn das teurer ist», schreibt gaz energie.

    Aus Sicht der Versorgungssicherheit sind besonders die Wintermonate wichtig. Hier müssen rechtzeitig die nötigen Anstrengungen getroffen werden, damit es im nächsten Winter nicht zu Engpässen kommt. Dabei sollten wir bei den aktuellen Diskussionen um russisches Gas auch die künftigen Entwicklungen in der Schweizer Energiepolitik mitbedenken. Da hat sich in jüngster Zeit einiges bewegt. So hat der Bundesrat vor kurzem mitgeteilt, dass es Reservekraftwerke brauche, um die absehbaren Engpässe zu überbrücken. Dabei sollen sogenannte Spitzenlast-Gaskraftwerke gebaut werden. Die Rede ist von zwei bis drei Gaskraftwerken mit einer Leistung von insgesamt bis zu 1000 Megawatt (MW).

    Technologieoffene Lösungen
    Solche Reservekraftwerke wird es wohl brauchen. Es darf allerdings nicht zu einem Widerspruch führen bezüglich der Bemühungen, die Abhängigkeit insbesondere von russischen Gasimporten zu verringern. Nicht vergessen sollten wir dabei auch, dass die Energiestrategie 2050, die den Ausstieg aus der klimafreundlichen Kernenergie vorsieht, die Notlage zusätzlich verstärkt. Das Nuklearforum Schweiz erinnert in diesem Zusammenhang daran, dass erst das vom Bundesrat beschlossene Verbot der Kernenergie solche Überlegungen überhaupt notwendig gemacht hat. Eine Energiepolitik ohne Technologieverbote würde die Notwendigkeit von Reserven deutlich verringern. Mit Kernkraftwerken der aktuellen oder nächsten Generation würde eine verlässliche und klimafreundliche Alternative zur Verfügung stehen, so das Nuklearforum.

    Als liberaler Politiker teile ich entschieden die Ansicht, dass die Politik keine Technologieverbote aussprechen soll. Es braucht auch im Energiebereich den Wettbewerb der besten Ideen und Produkte, ergebnisoffen und ohne ideologische Scheuklappen. Wenn die Einflussnahme des Staates überbordet, schadet das der Wirtschaft und unserer freien Gesellschaft.


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